West-Östlicher Kopfhörer

eine Umschau in unseren neuen Bundesländern





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„Guten Abend liebe Hörerinnen und Hörer. Mein Name ist Theo Wille, der Sie wie immer zu unserer akustischen Erkundungstour mit den west-östlichen Kopfhörern in unseren schönen neuen Bundesländern begrüßt. Was steht heute bei uns auf dem Programmzettel? Sie ahnen es, die ganze Welt spricht von der kommenden Expo 2000 in Hannover. So wird sich ein Beitrag mit einem gemeinsamen Projekt der Länder Sachsen-Anhalt und Niedersachsen beschäftigen, wo es um Kreuzfahrten auf dem Mittellandkanal mit originalen alten Lastkähnen geht, die zu Luxuslinern umgebaut werden sollen. Eine bahnbrechende Idee. Die teilweise noch aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorhandenen Siedlungen in noch echtem DDR-Design werden bald Touristen erkunden und sie können die Eingeborenen ganz unmittelbar erleben.


Doch der erste Beitrag führt uns in das schöne Thüringen, welches auch oft gern als das grüne Herz bezeichnet wird.


Dort setzt man jetzt auf den modernen Fremdenverkehr und vieles hat sich schon gewandelt, das DDR-Einheitsgrau der Industriebetriebe wich weiten unbebauten Flächen, die den Blick auf die Berge und Höhen freigaben, hier sollen Gewerbegebiete entstehen, wo die modernsten Betriebe sich ansiedeln werden und die ersehnten neuen Arbeitsplätze entstehen. Doch bis dahin braucht es noch ein wenig Zeit und so mancher Familienvater kann schon graue Haare bekommen, wenn das Abreißen seines alten Betriebes, wo er selbst Hand anlegt, beendet sein wird und die bange Frage auftaucht, wo gibt es etwas zu arbeiten? Darum hat sich unser Korrespondent Jochen Kaminski in der thüringischen Kleinstadt Possenhausen umgesehen. Possenhausen liegt in idyllischer Landschaft an dem Höhenzug Hainleite und ist durch den Bergbau geprägt. In der Folge der Währungsumstellung konnten sich diese einstmals typischen maroden Industriekombinate nicht mehr halten, sodass der heutige Unternehmer, ein Konzern, dem die Treuhand wegen seiner wirtschaftlichen Stärke den Vorzug gab, sich gezwungen sah, den Betrieb stillzulegen. Das hat die Bürger hart getroffen, denn überall blüht es noch nicht in den Landschaften. Jochen Kaminski entdeckte dort aber die ersten zarten Pflänzchen. Wir sind jetzt mit ihm telefonisch verbunden und gespannt auf seinen Bericht. Herr Kaminski, sie befinden sich jetzt auf dem Schlossplatz in Possenhausen, wo gerade eine Einweihungsfeier stattfindet. Was ist der Grund dafür?“


[Einblendung aus der live-Veranstaltung]

Hallo Herr Will, ja gerade ist die feierliche Einweihung vollzogen worden und es kommt hier richtig Feststimmung auf. Man hört im Hintergrund die Wipper-Stompers vom Grill der Geruch der original Thüringer Bratwurst und Brätel, da staunt man doch wie die Einwohner dieses Landstriches, die in letzter Zeit sowenig Anlass zur Freude hatten, doch feiern können.“

[stark gestörte Mobiltelefonverbindung]

„Herr Kaminski, wir können sie ganz schlecht hören, wir rufen Sie zurück, vielleicht begeben sie sich an einen höheren Ort, wo sie besseres Netz haben.

Ja, meine Damen und Herren, das kennen vielleicht Einige von Ihnen, dass Mobiltelefone nicht überall funktionieren. Doch ist es eine hervorragende Leistung, was die Telefongesellschaften in der ehemaligen DDR zustande brachten. Denn nichts lag so am Boden wie das früher Telefonnetz. Völlig marode auf dem Stand vor dem zweiten Weltkrieg. Doch nun zeigen sich die Vorteile der Marktwirtschaft. Nur wenige Flecken sind es noch, wo man keinen Empfang mit dem Handy hat. Offenbar gehört der Standort Possenhausen dazu. Wir werden es jetzt noch einmal versuchen und rufen Jochen Kaminski in Possenhaus auf dem Marktplatz. Soeben bekomme ich die Meldung aus der Regie, dass die Verbindung steht, wie schalten uns unmittelbar ein.“


"Schon lange mögen sich die Bürger von Possenhausen gefragt haben, was dort hinter dem Bauzaun auf dem Markt entstehen soll? Nach dreimonatiger Bauzeit zeigt sich nach Wegnahme der Umhüllung ein schmuckes Gebäude, welches gestern seiner Bestimmung übergeben wurde. Neben Landrat Wallachski waren auch

Bürgermeister Breyer und der Leiter des örtlichen Hauptverwaltungsamtes, Gerold Grau, persönlich anwesend. In dem Grußwort an die Bauleute, vertreten durch den Geschäftsführer der Schritter Bau GmbH, ging Landrat Wallachski auf die-

wechselvolle Geschichte der Initiative " Possenhausen, Perle der Provinz" ein. Bereits kurz nach der Wende stand es für die CDU-Fraktion des Kreises fest, diese Stadt zu einer Domäne des Tourismus' zu entwickeln. Er appellierte besonders an die

zahlreich erschienenen Bürger, gerade wegen der Schließung der Kali-Bergwerke, die vorübergehende Zeit der Arbeitslosigkeit zu nutzen. "Ich weiß, es ist für uns Alle eine tüchtige Durststrecke. Aber der Fremdenverkehr nimmt stets zu. Betrachten

Sie daher die Arbeitslosigkeit als eine neue Chance, Ihre Häuser zu verschönern, Gärten zu pflegen und vor Ihrer Haustür zu kehren. Damit erwecken wir einen guten Eindruck für unsere Gäste. Auch die kommunale Verwaltung wird dazu beitragen,

Possenhausen ein Stück attraktiver zu gestalten. Ferner schafft dieses Gebäude drei weitere Arbeitsplätze. Die gründliche Planung durch das kommunale Verwaltungsamt, das sorgfältig durchgeführte Genehmigungsverfahren des Landesverwaltungsamtes haben ein innovatives Objekt zu Füßen unseres ehrwürdigen Schlosses entstehen lassen. Lassen Sie uns gemeinsam in das neue

Jahrtausend schreiten!" Starker Beifall säumte diese bewegte Rede. Unter den Klängen der Bergwerkskapelle übergab Landrat Wallachski den goldenen Schlüssel dem Leiter des Verwaltungsamtes, Gerold Grau. Doch zunächst wies Bürgermeister

Breyer in seiner Ansprache darauf hin, das ihm der Ministerpräsident des Freistaates Thüringen eine Grußbotschaft habe zukommen lassen, dass es über alle Fraktionen

hinweg, in zähen Verhandlungen mit dem Management der Expo 2000, besonders in Übereinstimmung mit einer Entscheidungsträgerin, die die Probleme Ostdeutschlands in der Treuhandgesellschaft zu ihrer Herzensangelegenheit

erklärte, gelungen sei,für das Projekt: "Das salzige Brot" einen gewissen Möglichkeitsbedarf zu wecken. In dieser vielbeachteten Rede kam auch der Geldmangel zur Sprache, doch man dürfe nicht vergessen, dass Sparsamkeit auch

die Kreativität herausfordern würde, was an diesem Bau ersichtlich wäre.


Zu flotten Klängen marschierte der Leiter des Hauptverwaltungsamtes an das Rednerpult, um die Grüße des Landesverwaltungsamtes zu überbringen. Die umsichtige und eingehende Prüfung aller rechtlichen Aspekte, besonders in

ökologischer Hinsicht, habe dazu geführt, dieses Projekt als ein umweltfreundliches, auf technisch neuestem Stand stehendes, behindertengerechtes und kostengünstiges in einem nur fünf Jahre dauerndem Genehmigungsverfahren durchzuboxen. Daher sei es ihm, als Leiter einer Behörde, eine besondere Ehre, die Einweihung vorzunehmen. Doch er würde gern in das zweite Glied zurück

treten, um einem verdienten Bürger, den Vortritt zu lassen. Schmunzelnd verkündete er: " Ich übergebe hiermit das Wort an Frau Leuschner, der Vorsitzenden der "Fürst Karl-Günther-Stiftung." Eindringlicher Applaus belohnte seine prägnanten Worte.


Ausführlich schilderte Ingeborg Leuschner die mühselige Überzeugungsarbeit, die notwendig war, um ein solches Objekt aus der Taufe zu heben, in der Zeit des knappen Geldes. Aber auch sie wolle es damit bewenden lassen, denn wer wäre dazu berufener das neue Gebäude zuerst seiner Nutzung zu übergeben als Gottlieb

Engel, den die Älteren noch als 'Schloss - Engel' kennen würden, der letzte Hausmeier des Fürsten. Er habe es sich trotz seines 79 Lenze zählenden Alters nicht nehmen lassen die Einweihung persönlich vorzunehmen. Sie erinnerte daran, wie jedermann mit Schrecken noch daran denken würde, als der allseits bekannte und beliebte Mann, wegen eines dringenden Bedürfnisses, unachtsam die Straße überquerte und dabei von einem PKW erfaßt wurde. Doch dem unermüdlichen Einsatz der Stiftung sei es zu verdanken, dass unser Herr Engel dieses neue Gebäude benutzen könne wie jeder Andere. Unter freundlichem Klatschen wurde ein älterer Herr im Rollstuhl herangefahren. Landrat Wallachski persönlich ergriff das Mikrophon und hielt es dem Mann vor den Mund. Mit den Worten: "Ich erkläre hiermit, das Possenhäuser Sanitärzentrum als eröffnet", rollte Gottlieb Engel über die Rampe zu der Tür

mit dem Piktogramm für die Behindertentoilette, während die

Bergmannskapelle die Fürstenhymne anstimmte: "Sei gegrüßt Du edler Herr, das helle Licht über Schloss und finsterem Tal."


Nicht nur Gottlieb Engel war begeistert von der Zweckmäßigkeit und dem Charme, den die blitzblank polierten Fliesen und der edle Stahl verbreitet. Jeder konnte sich vor Ort davon überzeugen, welchen Eindruck Possenhausen auf seine Gäste nun

ausüben wird. Hoffentlich wirkt es anspornend für alle Bürger dieser Stadt. Denn viel ist noch zu tun. Dabei braucht es nicht viel. Hacke, Spaten, Besen und Kehrblech finden sich in fast jedem Haushalt. Guter Wille und die Einsicht, sich nicht jede

Drehung der Hand gleich versilbern zu lassen, gehört zu den Anforderungen der neuen Zeit. Dass aber auch mit dem neuen Sanitärzentrum drei Arbeitskräfte auf 520 DM - Basis geschaffen wurden, das ist die wahrhaft gute Nachricht. Die Possenhäuser haben also einen Grund mehr, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen.“

„Mit den Klängen der Wipper-Stompers verabschieden wir uns von Jochen Kaminski und den Possenhäusern, die jetzt noch unbeschwert feiern und melden uns nach einer Zwischenmusik aus Magdeburg.“

[Abspann]

(Berka (Wipper)/Mechernich 1997)









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